Ab welchem Grad der Behinderung (GdB) gilt man als schwerbehindert?
Eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 festgestellt wurde. Menschen mit einem GdB von 30 oder 40 können unter bestimmten Voraussetzungen schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie ohne diese Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können.
Was ist der besondere Kündigungsschutz bei Schwerbehinderung?
Der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen bedeutet, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung die vorherige Zustimmung des Integrationsamts einholen muss. Dies gilt für ordentliche wie außerordentliche Kündigungen sowie für Änderungskündigungen. Eine ohne diese Zustimmung ausgesprochene Kündigung ist unwirksam, unabhängig davon, ob dem Arbeitgeber die Schwerbehinderung bekannt war oder nicht.
Wann muss ich meinem Arbeitgeber meine Schwerbehinderung mitteilen?
Grundsätzlich besteht keine allgemeine rechtliche Pflicht, den Arbeitgeber über eine Schwerbehinderung zu informieren. Eine Mitteilungspflicht entsteht nur, wenn die Behinderung die Fähigkeit zur Ausübung der vertraglich vereinbarten Tätigkeit wesentlich beeinträchtigt oder eine Selbst- oder Fremdgefährdung am Arbeitsplatz zur Folge hat.
Um spezifische Nachteilsausgleiche (z.B. den gesetzlichen Zusatzurlaub von fünf Tagen oder die Freistellung von Mehrarbeit) in Anspruch nehmen zu können, müssen Sie den Arbeitgeber allerdings über Ihre Schwerbehinderung informieren.
Besonders wichtig: Wurde Ihnen gekündigt und der Arbeitgeber wusste nichts von Ihrer Schwerbehinderung, müssen Sie ihn spätestens innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung informieren, um den besonderen Kündigungsschutz (Zustimmung des Integrationsamtes) wirksam geltend zu machen.
Muss das Integrationsamt jeder Kündigung eines schwerbehinderten Menschen zustimmen?
Nein, das Integrationsamt führt eine umfassende Prüfung durch und wägt die Interessen des Arbeitgebers gegen den besonderen Schutzbedarf des schwerbehinderten Menschen ab. Es kann die Zustimmung verweigern, wenn beispielsweise eine andere Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb besteht oder wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte. Bei betriebsbedingten Kündigungen prüft es, ob Alternativarbeitsplätze zur Verfügung stehen oder ob Fördermaßnahmen möglich sind.
Welche Ausnahmen gibt es vom besonderen Kündigungsschutz für Schwerbehinderte?
Der besondere Kündigungsschutz gilt nicht in folgenden Fällen:
- Während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses
- Bei Kündigungen wegen Betriebsstilllegung unter bestimmten Voraussetzungen
- Bei Arbeitnehmern, die das reguläre Rentenalter erreicht haben
- In Kleinbetrieben mit weniger als fünf Arbeitnehmern, wenn der schwerbehinderte Mensch weniger als 5 Jahre beschäftigt ist
Auch in diesen Fällen bleibt jedoch der allgemeine Kündigungsschutz nach dem KSchG bestehen, sofern dessen Voraussetzungen erfüllt sind.
Welchen Zusatzurlaub erhalten schwerbehinderte Arbeitnehmer?
Schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf zusätzlich fünf Arbeitstage bezahlten Urlaub pro Jahr (§ 208 SGB IX). Bei einer Arbeitszeit von weniger als fünf Tagen pro Woche wird der Zusatzurlaub entsprechend anteilig berechnet. Auch bei unterjährigem Beginn oder Ende des Arbeitsverhältnisses oder bei erst während des Jahres anerkannter Schwerbehinderung wird der Zusatzurlaub zeitanteilig gewährt. Der Anspruch besteht unabhängig vom Grad der Behinderung ab einem GdB von 50 oder bei Gleichstellung.
Muss ich die Schwerbehinderung bereits bei der Bewerbung angeben?
Nein, es besteht keine Pflicht, die Schwerbehinderung bereits im Bewerbungsverfahren anzugeben. Eine entsprechende Frage des Arbeitgebers im Vorstellungsgespräch darf in der Regel sogar wahrheitswidrig beantwortet werden, sofern die Behinderung die Ausübung der angestrebten Tätigkeit nicht wesentlich beeinträchtigt. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die konkrete Tätigkeit ohne besondere Vorkehrungen nicht ausgeübt werden könnte oder wenn spezielle behindertengerechte Arbeitsplätze besetzt werden sollen.
Was passiert, wenn ich während meiner Beschäftigung schwerbehindert werde?
Wenn Sie während Ihrer Beschäftigung schwerbehindert werden, sollten Sie einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung beim zuständigen Versorgungsamt stellen. Ab dem Zeitpunkt der Antragstellung können Sie den besonderen Kündigungsschutz in Anspruch nehmen, sofern später eine Schwerbehinderung anerkannt wird. Um Nachteilsausgleiche wie Zusatzurlaub, Freistellung von Mehrarbeit oder behinderungsgerechte Arbeitsplatzgestaltung zu erhalten, müssen Sie Ihren Arbeitgeber über die Schwerbehinderung informieren und entsprechende Nachweise vorlegen.
Wie lange dauert das Zustimmungsverfahren beim Integrationsamt?
Die Dauer des Zustimmungsverfahrens beim Integrationsamt variiert je nach Komplexität des Falls und Arbeitsbelastung der Behörde. Bei ordentlichen Kündigungen kann das Verfahren mehrere Wochen bis einige Monate dauern. Bei außerordentlichen (fristlosen) Kündigungen gilt eine gesetzliche Entscheidungsfrist von zwei Wochen – erfolgt innerhalb dieser Frist keine Entscheidung, gilt die Zustimmung als erteilt. Arbeitgeber sollten diesen Zeitbedarf bei ihrer Planung berücksichtigen und das Verfahren rechtzeitig einleiten.
Was ist eine Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen?
Eine Gleichstellung bedeutet, dass Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30 oder 40 die gleichen arbeitsrechtlichen Schutzrechte wie schwerbehinderte Menschen erhalten können. Die Gleichstellung erfolgt auf Antrag durch die Bundesagentur für Arbeit und setzt voraus, dass der Betroffene ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten könnte. Gleichgestellte haben fast alle Rechte schwerbehinderter Menschen, außer dem Anspruch auf Zusatzurlaub und unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr.
Kann ich mich gegen eine Kündigung wehren, wenn das Integrationsamt zugestimmt hat?
Ja, auch wenn das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hat, können Sie innerhalb der regulären Drei-Wochen-Frist Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben. Das Arbeitsgericht prüft dann unabhängig, ob die Kündigung auch nach allgemeinem Kündigungsschutzrecht (personenbedingt, verhaltensbedingt oder betriebsbedingt) gerechtfertigt ist. Die Zustimmung des Integrationsamts ist nur eine formale Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung, ersetzt aber nicht die arbeitsgerichtliche Prüfung der materiellen Wirksamkeitsgründe.
Welche besonderen Pflichten hat der Arbeitgeber gegenüber schwerbehinderten Beschäftigten?
Arbeitgeber haben folgende besondere Pflichten gegenüber schwerbehinderten Beschäftigten:
- Prüfung, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können
- Behinderungsgerechte Einrichtung und Ausstattung des Arbeitsplatzes
- Beschäftigung entsprechend ihren Fähigkeiten und Kenntnissen
- Bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Bildungsmaßnahmen
- Einladung zu Vorstellungsgesprächen bei entsprechender Qualifikation (öffentlicher Dienst)
- Führen von Präventionsgesprächen bei personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten
- Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei allen Maßnahmen, die schwerbehinderte Menschen betreffen